Zum Tag meiner Geburt habe ich meine Mutter begleitet. Wir kämpften von unterschiedlichen Richtungen, während sich das Licht brach, schworen wir einander nicht aufzugeben. Die Hoffnung nicht zu verlieren, die Zuversicht. Ich versprach ihr: durch mich wirst du geboren. Sie versprach mir, ich werde dich niemals verlassen, du wirst kaum einen Unterschied fühlen. Und die Natur und die Menschen um uns herum waren unermüdlich bei ihren Bestrebungen, uns zu trennen. Du wirst ihn endlich ansehen können, sagten sie ihr, ihn im Arm halten, aber meine Mutter wusste, sie vertrieb uns beide aus dem Paradies, wir waren auf dem Weg von der Vorstellung in die Wirklichkeit. Unumkehrbar dieser Weg. Und so lag ich wenig später blutverschmiert auf ihrem Bauch, während sie schon in diesem Moment die Schmerzen vergessen hatte und zögerlich versuchte an sich zu glauben. Zu glauben, die Liebe mit der mein Anblick sie überschwemmte, würde schon genügen, um nicht alles verkehrt zu machen. Würde die Angst überwinden können und die Unsicherheit.
Glaubt das nicht jede Mutter, wenn sie das Frischgeborene im Arm hält, dass ihre Liebe alles andere relativieren wird? Und ein Stückweit tut es das dann wohl auch, der Rest sind die Fehler, die vielleicht unsere Söhne und Töchter ebenfalls ein paar Stunden oder Wochen, Monate der Therapie beschert…
ein sehr feiner Text ist das, liebe Elke, den ich gleich zweimal gelesen habe.
Herzliche Grüsse
Ulli
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Ich weiß nicht, was andere Mütter denken und fühlen, ich bin skeptisch, was Begriffe wie „Mutterinstinkt“ usw. angeht, aber ich weiß, was für ein überwältigendes Gefühl das damals war, aber auch, wie mich die Angst, tiefgreifende Fehler zu machen, seitdem nie wieder verlassen hat.
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Ich stimme dir zu, ich weiss auch nicht, was andere Mütter denken oder fühlen, wenn auch von einigen. ich weiss ja noch nicht einmal was meine Mutter dachte und fühlte. Traurig aber wahr!
Diese tiefgreifende Angst kenne ich auch und bis heute nicht davon in aller Konsequenz befreit, wie ich es auch über die Enkelkinder, mit ihnen und zu meiner Tochter, ihrer Mutter hin erlebe.
Manchmal neige ich zu eine Art Pragmatismus, der aber, wie gerade jetzt, nicht immer haltbar ist.
ui… jetzt setzt noch einiges andere ein- ich danke dir für deins, das mich nun weiterdenken lässt.
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ein so berührender text. danke liebe elke. in mir besteht die hoffnung,
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dass es nicht nur die vertreibung aus dem paradis war, sondern vielleicht auch der eintritt in ein anderes paradies. das der tiefgreifenden liebe und auf immer verbundenheit.
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Diese Deine Hoffnung hat mich schon oft getröstet, und immer wieder versuche ich sie auch mir zu eigenen zu machen.
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„…die Liebe mit der mein Anblick sie überschwemmte….“ Mehr kann eine Mutter nicht geben und mehr kann eine Mutter nicht sein. Ich glaube, dass diese grundlegende Liebe der Mutter im Kind erhalten bleibt, komme was mag.
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Das ist ein schöner Gedanke, Elisabeth, dass die „grundlegende Liebe der Mutter im Kind erhalten bleibt“, tröstlich und Hoffnung machend.
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Dieser Text gehört zum Schönsten, was ich je über eine Mutter gelesen habe. Ich habe ihn mehrmals gelesen, und die Worte dringen immer tiefer ein. Ganz wunderbar. 🙂
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Herzlichen Dank. Ich freue mich sehr.
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