22 MAMA MIA

Stets wohl zu Haus in Dir,

warst Du mir zumeist fern –

die Zuwegung zu Dir früh schon verbaut

durch das Gedankenfutter

Deiner beachtlichen Bücherberge,

wohl geordnet um Dich wild getürmt,

das hiesige Tor zu Deinem Ohr jedoch

kaum außerhalb täglicher Sprechstunde

geöffnet zur Klärung schulischer Fragen.

Im Zauberreich unvergesslicher

Kinderseligkeiten von Hefeklößen,,

Zimtmilchreis, seelentröstender Schokocreme

fand ich Dich zugänglicher

zwischen rühren und abschmecken

mit einem Löffel voller feinster Vanillesoße

nur für mich – alle drei Wochen aber

noch köstlicher das gemeinsame Abarbeiten

verschmutzter familiärer Geschirrberge

bei gleichzeitiger Durchdringung

meiner weitschweifig kindlichen Fragen

über Gott und die Welt hier ganz bei Dir,

fand ich Dich in kühnen Gedankengängen, auch

im Festhalten kruder, erdbrauner Glaubenssätze,

fand ich mich: aufsaugend, zunehmend heftig reibend.

Und wenn auch die Zugbrücke zu Dir

stracks hochklappte bei jeglicher Andeutung

von Mißmut, Mißachtung, gar offenem Widerstand,

ich mich in Deinem schmallippigen Schweigen mitunter verlor,

fand ich Dich in all Deinen Herzenszettelchen

mit allerliebsten, bunt gemalten Grüßen,

viel mehr noch im besonderen Geschenk

eines Lächelns sparsamer Zärtlichkeit,

doch auch in sorgend liebevoller Nähe.

Und wenn die lebenslang leidenschaftlichen

Selbstentzündungen Deines Feuerwerks eigener

Klänge, Wortmelodien, Seins- und Sinngewissheiten wie

auch Dein nachspürendes Auf-, empörtes Nieder-Schreiben

Dich zu Deinem Ende in zunehmend düstere Irrgärten

eintauchen, zusehends entschwinden ließen,

fand ich Dich – festlich final geerdet – schließlich

in Deinem Grabspruch wieder,

in dem, was Deins war und des Lebens

in brausenden Winden, dem Schneegeglitzer,

Vogelkreisen, Sommersonne und Abendstern –

und damit vom Leben warm getragen.

Und heute noch find ich Dich wieder, gelegentlich –

in Wiedergängern mütterlicher Schreckgespenster,

aber auch mit Deinen mütterlichen Schätzen – in mir!

5 Gedanken zu “22 MAMA MIA

    • Freut mich, Ulli, ich danke Dir und geb Dir das sehr gern uneingeschränkt zurück! Schon frappierend: so unterschiedliche Menschen, gleichwohl so ähnlich… als Mütter

      Gefällt 1 Person

    • Danke, Elisabeth! Und nachdem Deine so eindringlichen, auch schmerzlichen Mutter-Bilder mich umgehend in ihen Bann zogen, klingt mir Dein Nachsatz immer vernehmlicher nach… .

      Als Kind dachte ich für ein Weilchen, meine Eltern seien nicht wirklich meine, wünschte mir als Heranwachsende mitunter, ich hätte eine ebenso geerdete, völlig unprätentiöse Hausfrauen- und Kümmerinnen-Mutter wie alle meine Freundinnen. Meine offensichtlich so völlig aus dem ‚Schema F(emale)‘ Gefallene verschwieg ich, wenn möglich – und auch heute noch bin ich beim Thema ‚meine Mutter‘ eher einsilbig.

      Doch vieles von dem, was wir aus unterschiedlichen Gründen von uns weisen mögen, hat uns auch positiv verwandelt, im besten Fall Selbst-bewußter, durchlässiger, feinnerviger, kreativer werden lassen – wie nicht zuletzt ja gerade auch Deine beeindruckenden Bilder zeigen!

      Gefällt 1 Person

  1. Stimmt. Wir können an den Mängeln unserer Mütter wachsen.
    Penia, Göttin der Armut (des Mangels), galt bei den alten Griechen als Erfinderin der Künste.

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